Börsen-Beziehungen: Wann es Zeit ist, Schluss zu machen

Wenn Hoffnung zum Depotproblem wird

Sie kennen das sicher: Da liegt eine Aktie im Depot, die man einst voller Optimismus gekauft hat – und heute schaut man ihr beim Fallen zu. Jeden Tag hofft man, dass sie endlich wieder steigt. Vielleicht spricht man ihr innerlich Mut zu: „Komm schon, du schaffst das wieder!“ Doch der Kurs ist wie ein quengelndes Kind im Supermarkt, das sich einfach nicht beruhigen will. Willkommen in der Welt der Börsen-Beziehungen – emotional aufgeladen, rational fragwürdig. Also was tun – verkaufen und Verluste realisieren oder tapfer weiter festhalten?

Börsen-Beziehungen

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Wann es Zeit ist, Schluss zu machen

Die Antwort darauf fühlt sich oft an wie der Ausgang einer schwierigen Beziehung. Schließlich hat man etwas investiert – Geld, Zeit, vielleicht auch Stolz. Verkaufen? Das wäre ja das Eingeständnis: Die Entscheidung war falsch. Lieber noch ein bisschen warten? Irgendwann muss es doch wieder aufwärts gehen, oder?

Die Angst, etwas zu verpassen

Hier kommt die berüchtigte Fear of Missing Out (FOMO) ins Spiel – die Angst, etwas zu verpassen. Wenn ich jetzt verkaufe, steigt die Aktie bestimmt nächste Woche raketenhaft an (Murphys Gesetz der Börse!). Und dann stehe ich dumm da, ohne mein ehemals geliebtes Papier und mit realisiertem Verlust. Also hält man fest – oft länger als gut ist.

Tatsächlich zeigen Studien, dass Anleger Verlustbringer viel zu lange behalten. Dieses Zögern hat weniger mit Vernunft zu tun, sondern mit Psychologie. Verlustaversion nennen das die Verhaltensökonomen: Ein Verlust schmerzt etwa doppelt so stark wie ein gleich hoher Gewinn Freude bereitet. Wir hängen an der Hoffnung, zumindest unseren Einsatz irgendwie wieder herauszubekommen. Und so scheuen wir den Verkauf wie der Teufel das Weihwasser. Nach dem Motto: Solange ich nicht verkaufe, ist der Verlust nur virtuell – er fühlt sich nicht so endgültig an.

Lieber ein Ende mit Klarheit

Dabei wissen wir eigentlich alle, was ein altes Börsensprichwort knallhart auf den Punkt bringt: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ Mit anderen Worten: Manchmal ist der klügere Schritt, den Schmerz einmal zuzulassen und abzuschließen, statt ihn ewig auszusitzen. Wenn eine Aktie dauerhaft im Keller bleibt und keine Rettung in Sicht ist, warum sollte man weiterhin zusehen, wie sie Kapital bindet und Nerven kostet? Der erste Verlust ist meist der kleinste – weitere abzuwarten macht es oft nur schlimmer.

Panik oder Perspektive?

Natürlich ist nicht jeder Kursrutsch gleich ein Weltuntergang. Hier kommt es auf das warum an. Ist der Aktienkurs nur wegen einer allgemeinen Marktschwäche oder kurzfristigen Panik gefallen, obwohl das Unternehmen gesund ist?

Dann wäre ein voreiliger Verkauf vielleicht tatsächlich ein Fehler – hier könnte die Geduld belohnt werden, wenn sich der Wert erholt. Denn wer im Corona-Crash 2020 panisch alles verkaufte, verpasste die anschließende Erholung – und ärgerte sich hinterher schwarz. Eine solide Firma wird durch einen temporären Kursrutsch nicht über Nacht zum schlechten Unternehmen. In solchen Fällen darf man ruhig die Nerven behalten.

Wenn der Glaube fehlt

Anders sieht es aus, wenn Sie an das Papier nicht mehr glauben: Vielleicht hat das Unternehmen ein Geschäftsmodell von gestern oder der Chef hat sich mit einem Skandal ins Abseits befördert. Kurz: Die Gründe, aus denen Sie einst kauften, sind nicht mehr da. Oder Hand aufs Herz: Würden Sie die Aktie heute noch einmal kaufen, zu diesem Preis?

Wenn die ehrliche Antwort nein lautet, dann halten Sie wahrscheinlich gerade an einem reinen Hoffnungsträger fest. Hoffnung ist schön – aber kein Investmentplan. In diesem Moment ist es vielleicht Zeit, den berühmten Schlussstrich zu ziehen.

Der befreiende Moment des Verkaufs

Leicht ist das nie – selbst Profis ringen mit sich, wenn es darum geht, Verluste zu realisieren. Stellen Sie sich vor, welche Freiheit ein konsequenter Schnitt bringen kann.

Das Kapital, das bisher in der „Depotleiche“ feststeckt, könnte in etwas Besseres wandern – in ein Investment mit Zukunft, das Ihnen wieder Freude macht. Ihr Geld arbeitet schließlich lieber dort, wo es sich vermehren darf, anstatt in einem Sanatorium für kränkelnde Aktien zu liegen. Und Hand aufs Herz: Ist es nicht auch eine Erleichterung, nicht mehr jeden Morgen besorgt auf diesen einen Kurs starren zu müssen?

Joy of Missing Out – ein unterschätzter Luxus

Am Ende geht es darum, das Gegenteil von FOMO zuzulassen: die Gelassenheit, auch mal etwas zu verpassen. Das ist gewissermaßen die „Joy of Missing Out“ – also die Freude daran, Ballast abzuwerfen. Wer eine lahme Ente verkauft, verpasst vielleicht einen unwahrscheinlichen Überraschungsflug nach oben. Aber viel wahrscheinlicher ist, dass man sich dadurch eine Bruchlandung erspart. Und während andere noch dem toten Gaul hinterhertrauern, haben Sie Ihr Pferd längst gewechselt und sind auf der Überholspur unterwegs. Denn manchmal ist Loslassen der beste Weg nach vorn.

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