Single Family Office: eine Serie in acht Perspektiven – Teil 1: Governance und Strategie

Was macht ein Single Family Officer eigentlich den ganzen Tag? Diese Frage begegnet mir regelmäßig – mit ehrlicher Neugier, gelegentlich auch mit einem Augenzwinkern. Denn, obwohl der Begriff längst seinen festen Platz in der Welt des Vermögensmanagements hat, bleibt das Berufsbild inhaltlich oft vage. Dabei ist es gerade die Vielfalt und Tiefe der Aufgaben, die den Unterschied macht.

Single Family Office - Teil 1

Teil 1

Governance und Strategie

Diese achtteilige Serie gibt einen strukturierten Einblick in die Kerntätigkeiten eines Single Family Officers – entlang jener Themenfelder, die sich in meiner täglichen Arbeit immer wieder als zentral herauskristallisieren: von Strategie und Governance bis hin zu Kommunikation und Repräsentation.

Alle Beiträge sind so konzipiert, dass sie nicht nur informieren, sondern auch unterhalten dürfen – mit einem kultiviert-trockenen Ton, gelegentlichem Augenzwinkern und stets dem Anspruch, Klarheit zu schaffen.

Teil 1 von 8: Strategie und Governance – Das Lenkrad für Familienentscheidungen

Wie Regeln, Werte und klare Prozesse langfristige Stabilität schaffen

Wer ein Familienvermögen gestalten will, braucht mehr als Renditeberichte. Er braucht Orientierung. Und genau da beginnt die Arbeit eines Single Family Officers – nicht erst beim Investieren, sondern viel früher: bei der Frage, wohin es eigentlich gehen soll.

Visionen, Werte, Ziele – diese großen Worte klingen gerne abstrakt. Doch in der Praxis entscheidet sich gerade hier, ob das Familienvermögen zusammenführt oder auseinanderdriftet. Ob Nachfolge gelingt oder Konflikte schwelen. Ob Generationen miteinander reden – oder nur übereinander.

Ein Single Family Officer nimmt in dieser Phase die Rolle eines stillen Moderators ein. Nicht als Guru mit Glaskugel, sondern als jemand, der zuhört, strukturiert, einordnet. Und der hilft, aus diffusen Vorstellungen belastbare Leitplanken zu bauen.

Governance, dieser etwas spröde Begriff, meint im Kern: Regeln schaffen, bevor sie fehlen. Entscheidungen ermöglichen, bevor sie nötig werden. „Klare Regeln sind wie GPS in unbekanntem Terrain – ohne sie verirrt man sich schnell.“

In der Praxis beginnt das mit erstaunlich einfachen Fragen: Wer entscheidet was – und wann? Wer darf mitreden, und wo ist eine Grenze nötig? Wie werden Interessenskonflikte gelöst? Und wie stellt man sicher, dass sich alle gehört fühlen, ohne dass sich alles im Klein-Klein verliert?

Ein konkretes Beispiel: Eine Unternehmerfamilie plant, Immobilienvermögen auf die nächste Generation zu übertragen. Der erste Impuls: steuerlich optimieren, am besten gleich. Doch sobald man tiefer gräbt, wird klar: Wer soll später verwalten? Was passiert im Streitfall? Gibt es jemanden, der Verantwortung übernehmen will – und darf er oder sie das überhaupt?

Governance heißt, diese Fragen zu klären, bevor sie brennen. Und zwar gemeinsam. In Workshops, im Familienrat, mit externer Moderation, wenn nötig – aber stets mit dem Ziel, ein gemeinsames Bild zu entwerfen. Eines, das nicht nur schön aussieht, sondern auch trägt.

Ein beliebter Anlass, bei dem Governance regelmäßig ins Spiel kommt: die Vermögensnachfolgeplanung. Wer meint, sie sei nur eine Zahlenspielerei für Steuerberater, irrt gewaltig. Denn sie zwingt Familien dazu, ihr Vermögen systematisch zu durchdenken. Wer bekommt was? Wann? Und zu welchen Bedingungen?

Der Single Family Officer ist in solchen Fällen kein Steuerexperte – wohl aber derjenige, der die Themen auf den Tisch bringt, strukturiert und koordiniert. Gemeinsam mit Steuerberatern werden Szenarien entworfen, rechtliche Spielräume geprüft, emotionale Fallstricke berücksichtigt. Nicht selten ist das schwieriger als jede Excel-Tabelle. Denn Geld ist Kopfsache – aber Vermögen ist Gefühlssache.

„Governance schafft inmitten familiärer und regulatorischer Unsicherheiten Struktur, Gesprächsfähigkeit und Verlässlichkeit.“

Noch ein typisches Thema: die nächste Generation. Oft gut ausgebildet, manchmal skeptisch, gelegentlich überfordert. Governance heißt hier nicht, Kontrolle aufzubauen, sondern Teilhabe zu ermöglichen. Vielleicht in Form eines Beirats, vielleicht durch gestaffelte Verantwortung – oder schlicht durch einen definierten Weg, wie junge Familienmitglieder herangeführt werden. Schritt für Schritt. Mit Raum für Fragen und Fehler.

Ebenso relevant: Was passiert in Ausnahmefällen? Wenn ein Elternteil plötzlich ausfällt? Wenn sich Eheleute trennen? Wenn externe Partner ins Spiel kommen? Governance denkt diese Fälle mit – nicht, um sie zu beschwören, sondern um handlungsfähig zu bleiben. Denn das Familienvermögen ist zu wertvoll, um auf Zuruf verwaltet zu werden.

Es geht also nicht um Paragrafenreiterei, sondern um Gestaltung. Governance im Family Office heißt: Verantwortung übersetzen. In klare Rollen, in Prozesse, in Sprache. Damit alle wissen, was sie tun – und warum sie es tun.

Zugegeben: Das klingt nicht besonders spektakulär. Kein neuer Fonds, keine fancy Assetklasse, keine fünf Prozent Alpha. Und doch liegt gerade in dieser stillen Ordnung eine enorme Kraft. Sie verhindert, dass aus Missverständnissen Dauerkrisen werden. Sie schützt Beziehungen – und manchmal sogar das Unternehmen.

Ein Single Family Officer ist hier kein Oberlehrer. Eher ein kundiger Lotse, der hilft, das Familienboot auf Kurs zu halten.

Und weil dieser Kurs in Zeiten wachsender Unsicherheit – geopolitisch, steuerlich, gesellschaftlich – immer wieder neu vermessen werden muss, lohnt sich der Blick auf Governance nicht nur beim Generationenwechsel. Sondern immer dann, wenn sich etwas verändert.

Oder um es in einem Satz zu sagen:
„Gute Governance ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit in bewegten Zeiten.“

Ausblick auf die kommenden Teile der Serie:

Teil 2 – Vermögensmanagement
Von der Bestandspflege bis zur Impact-Investition
Was es heißt, Vermögen nicht nur zu verwalten, sondern strategisch weiterzuentwickeln – ohne externe Renditeziele, aber mit innerem Kompass.

Teil 3 – Controlling und Reporting
Zahlen, Transparenz und das gute Gefühl, alles im Blick zu haben
Warum Performance nicht nur Kennzahlen braucht, sondern auch Kontext – und wie ein sauberer Bericht mehr bewirken kann als ein ganzes Datenmeer.

Teil 4 – Risikomanagement und Compliance
Szenarien, Spielregeln und stille Sicherheiten
Was passiert, wenn das Unerwartete eintritt? Und wie man sich vorbereitet, ohne in Alarmismus zu verfallen.

Teil 5 – Administration und Organisation
Strukturen, die entlasten – im Alltag und darüber hinaus
Warum funktionierende Abläufe kein Selbstzweck sind, sondern die Grundlage für gutes Entscheiden.

Teil 6 – Netzwerk und Beziehungen
Verbindungen schaffen Perspektiven
Ein starkes Netzwerk ist mehr als ein Adressbuch – es ist Orientierung, Impulsgeber und gelegentlich auch Rettungsanker.

Teil 7 – Philanthropie und Wirkung
Werte leben – und Wirkung messen
Wie sich Engagement in Stiftungen und Projekten verankern lässt, ohne in Symbolik steckenzubleiben.

Teil 8 – Kommunikation und Repräsentation
Die Außensicht klug gestalten
Warum eine klare, diskrete Kommunikation heute wichtiger ist denn je – intern wie extern. Und wie sie gelingt.

2 Gedanken zu „Single Family Office: eine Serie in acht Perspektiven – Teil 1: Governance und Strategie“

  1. Pingback: Single Family Office - Kommunikation/Repräsentation - Teil 8

  2. Pingback: Single Family Office - Philanthropie und Wirkung - Teil 7

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