Was macht ein Single Family Officer eigentlich den ganzen Tag? Diese Frage begegnet mir regelmäßig – mit ehrlicher Neugier, gelegentlich auch mit einem Augenzwinkern. Denn, obwohl der Begriff längst seinen festen Platz in der Welt des Vermögensmanagements hat, bleibt das Berufsbild inhaltlich oft vage. Dabei ist es gerade die Vielfalt und Tiefe der Aufgaben, die den Unterschied macht.
Diese achtteilige Serie gibt einen strukturierten Einblick in die Kerntätigkeiten eines Single Family Officers – entlang jener Themenfelder, die sich in meiner täglichen Arbeit immer wieder als zentral herauskristallisieren: von Strategie und Governance bis hin zu Kommunikation und Repräsentation.
Alle Beiträge sind so konzipiert, dass sie nicht nur informieren, sondern auch unterhalten dürfen – mit einem kultiviert-trockenen Ton, gelegentlichem Augenzwinkern und stets dem Anspruch, Klarheit zu schaffen.
Teil 2 von 8: Vermögensmanagement: Von der Bestandspflege bis zur Impact-Investition
Warum Vermögen Pflege braucht – und manchmal auch Richtung
Wenn man Vermögensmanagement hört, denken viele sofort an Aktienkurse, Depotauszüge oder Marktkommentare mit leicht dramatischem Unterton. Doch tatsächlich beginnt die Aufgabe des Single Family Officers viel bodennäher – und wirkt dabei oft tiefer, als jede Chartanalyse vermuten ließe.
Im Zentrum steht nicht der Markt, sondern das Vermögen der Familie – mit all seinen Facetten, Wünschen und Eigenheiten. Und genau hier kommt der Single Family Officer ins Spiel. Seine Aufgabe: das Gesamtbild erkennen und in Bewegung halten – mit der nötigen Weitsicht, aber ohne Aktionismus.
Das beginnt bei der Bestandspflege. Gemeint ist damit nicht der routinierte Blick aufs Depot, sondern das kontinuierliche Verstehen, Ordnen und Strukturieren der Vermögenssituation. Welche Assets sind vorhanden? Wie ist die Allokation? Welche Werte sind liquide, welche gebunden? Welche Strukturen passen noch – und welche nicht mehr?
Portfoliopflege ist keine Hobbygartenarbeit.
Ein gut gepflegtes Vermögen ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Und dieser Prozess wird vom Family Officer koordiniert, begleitet und immer wieder hinterfragt. Dabei geht es nicht nur um Performancekennzahlen – sondern auch um die Frage: Passt das Portfolio zur Familie? Zu ihren Zielen, ihren Überzeugungen, ihrem Zeitplan?
Eine besondere Rolle spielt dabei die Liquiditätsplanung. Denn auch große Vermögen können überraschend illiquide wirken – spätestens dann, wenn Investitionen langfristig gebunden sind oder Zahlungsverpflichtungen auftauchen. Der Single Family Officer sorgt dafür, dass Reserven vorhanden sind, ohne Chancen zu verspielen. Liquidität ist kein Selbstläufer – sondern das Ergebnis kluger Voraussicht.
Liquidität gibt Sicherheit – und Freiheit.
Ein zunehmend relevanter Bereich: Impact Investing. Also die Frage, wie Kapital neben Rendite auch Wirkung entfalten kann. Viele Familien möchten heute nicht nur erfolgreich investieren, sondern auch einen positiven Fußabdruck hinterlassen. Doch wie misst man Wirkung? Und wo findet man Zugänge, die über Marketingversprechen hinausgehen?
Der Single Family Officer ist hier mehr als ein Ideenlieferant. Er prüft Angebote, stellt Fragen, koordiniert Due Diligence-Prozesse und hilft dabei, die Balance zwischen Idealismus und Professionalität zu halten. Denn Wirkung braucht Struktur – sonst bleibt sie Behauptung.
Dabei zeigt sich ein weiterer Unterschied zu klassischen Vermögensverwaltern: Der Single Family Officer arbeitet nicht für einen anonymen Kapitalgeber, sondern ausschließlich für „seine“ Familie. Es gibt kein Produktinteresse, keinen Verkaufsdruck, keine externe Renditevorgabe. Nur die Frage: Was passt zu diesem Vermögen – und zu dieser Familie?
Diese Unabhängigkeit ist mehr als nur ein Etikett. Sie ermöglicht es, alle Assetklassen gleichwertig zu betrachten, sei es Private Equity, Immobilien, liquide Mittel oder Unternehmensbeteiligungen. Der Family Officer denkt nicht in Schubladen – sondern in Zusammenhängen. Und er schafft Verbindungen, wo andere Zuständigkeiten enden.
Ein Beispiel: Eine Familie möchte eine neu erworbene Immobilie vermieten. Gleichzeitig gibt es Anteile an einem Fonds, dessen Laufzeit bald endet. Und es steht ein Generationenwechsel an. Der Single Family Officer denkt diese Ebenen gemeinsam: Liquidität, Besteuerung, Struktur, Governance – nicht nacheinander, sondern gleichzeitig.
Vermögensmanagement heißt, alles zusammenzudenken – und nicht alles auf einmal zu tun.
Natürlich ist er dabei nicht allein. Vermögensverwalter, Steuerberater, Rechtsanwälte – sie alle bringen ihr Fachwissen ein. Doch der Single Family Officer hält die Fäden in der Hand. Nicht als Ersatz, sondern als Koordinator. Als jemand, der den Überblick bewahrt und Entscheidungen vorbereitet, nicht überstürzt.
Gerade bei Ausschreibungen, neuen Investments oder Umschichtungen wird diese Rolle besonders sichtbar. Der Family Officer fragt: Passt es zur Strategie? Sind die Kosten transparent? Wie sieht der Zeithorizont aus – steuerlich, operativ, familiär? Man könnte sagen: Er prüft nicht nur Zahlen, sondern auch Nebenwirkungen.
Wichtig ist dabei die Abgrenzung: Ein Single Family Officer ist kein Multi Family Office, das Portfolien für verschiedene Kunden zentral verwaltet. Er ist auch kein Anlageberater mit hauseigener Produktpalette. Er agiert ausschließlich im Auftrag der Familie – und nur für diese. Ohne Ablenkung, ohne Interessenkonflikt.
So entsteht eine Vermögensbetreuung, die nicht von Benchmarks getrieben ist, sondern von Sinn und Zusammenhang. Kein Flickenteppich, sondern ein Gesamtbild. „Es geht nicht darum, alles zu wissen – sondern alles zu verbinden.“
Am Ende dieses zweiten Kapitels wird deutlich: Vermögensmanagement ist mehr als Verwaltung. Es ist Verantwortung, Beziehungspflege, Richtungsarbeit. Und es ist der stille Beweis, dass Klarheit und Sorgfalt am Kapitalmarkt oft wertvoller sind als Tempo und Schlagzeilen.
Im nächsten Teil geht es weiter mit dem, was vielen besonders wichtig ist – und oft zu kurz kommt: Controlling und Reporting. Wie Daten Struktur schaffen, Kontrolle Vertrauen stiftet – und wie der Blick auf die Zahlen neue Perspektiven ermöglicht.
Zur besseren Orientierung: Diese Beiträge sind bereits erschienen:
Teil 1 – Strategie und Governance.
Wie Regeln, Werte und klare Prozesse langfristige Stabilität schaffen
Ein Thema, das vielen Familien Orientierung gibt – besonders dann, wenn das Umfeld komplexer, die Nachfolge näher und die Fragen größer werden.
Ausblick auf die kommenden Teile der Serie:
Teil 3 – Controlling und Reporting
Zahlen, Transparenz und das gute Gefühl, alles im Blick zu haben
Warum Performance nicht nur Kennzahlen braucht, sondern auch Kontext – und wie ein sauberer Bericht mehr bewirken kann als ein ganzes Datenmeer.
Teil 4 – Risikomanagement und Compliance
Szenarien, Spielregeln und stille Sicherheiten
Was passiert, wenn das Unerwartete eintritt? Und wie man sich vorbereitet, ohne in Alarmismus zu verfallen.
Teil 5 – Administration und Organisation
Strukturen, die entlasten – im Alltag und darüber hinaus
Warum funktionierende Abläufe kein Selbstzweck sind, sondern die Grundlage für gutes Entscheiden.
Teil 6 – Netzwerk und Beziehungen
Verbindungen schaffen Perspektiven
Ein starkes Netzwerk ist mehr als ein Adressbuch – es ist Orientierung, Impulsgeber und gelegentlich auch Rettungsanker.
Teil 7 – Philanthropie und Wirkung
Werte leben – und Wirkung messen
Wie sich Engagement in Stiftungen und Projekten verankern lässt, ohne in Symbolik steckenzubleiben.
Teil 8 – Kommunikation und Repräsentation
Die Außensicht klug gestalten
Warum eine klare, diskrete Kommunikation heute wichtiger ist denn je – intern wie extern. Und wie sie gelingt.
Die Kommentare sind geschlossen.