„Ich weiß ja gar nichts“ – und das seit 30 Jahren.

Ein Satz, der fällt, wenn man sich zum ersten Mal mit jemandem über Finanzen unterhält. Meist in verlegenem Tonfall, oft garniert mit einem entschuldigenden Lächeln. Gesagt hat ihn in diesem Fall die Ehefrau eines neuen Mandantenpaares, das den Weg zu mir ins Family Office gefunden hat. Seit über 30 Jahren verheiratet, gemeinsam ein Unternehmen aufgebaut, gemeinsam eine Familie, gemeinsam ein Zuhause. Und doch: als es an die Vermögensübersicht ging – Bankkonten, Beteiligungen, Immobilien, Rücklagen – war es für sie wie ein Blick in eine fremde Welt.

„Ich weiß ja gar nichts.“

Ein kleiner Satz. Aber einer, der Gewicht hat. Denn er offenbart nicht Unfähigkeit, sondern ein jahrzehntelanges kulturelles Muster, das sich – manchmal unbemerkt – in unsere Partnerschaften eingenistet hat. In vielen Unternehmerfamilien ist die Aufgabenverteilung traditionell gewachsen. Der Mann kümmert sich ums Geschäft, die Frau ums Zuhause. Oder wie man früher sagte: Er verdient das Geld, sie sorgt dafür, dass er es auch weiterhin tun kann. So entstehen Strukturen, die oft nicht hinterfragt werden – weil sie scheinbar funktionieren. Bis zu dem Moment, in dem sie es nicht mehr tun.

Und genau da beginnt meine Arbeit. Denn wenn eine Ehefrau nach Jahrzehnten des Miteinanders das erste Mal eine Vermögensaufstellung sieht und sich selbst darin nicht wiederfindet, dann läuft etwas schief. Nicht in der Beziehung, wohlgemerkt. Sondern im System. Es ist kein Zufall, dass immer mehr Vereine, Netzwerke und Bildungsinitiativen sich gezielt an Frauen wenden, um ihnen Finanzwissen zu vermitteln. Es ist ein Nachholen dessen, was über Generationen versäumt wurde. Und es ist dringend nötig – nicht nur im Sinne der Gleichberechtigung, sondern auch im Sinne der Resilienz.

Denn Vermögen ist Verantwortung. Und Verantwortung sollte man nie delegieren, ohne sie zu verstehen. Natürlich muss nicht jeder jede Zahl kennen. Aber es geht darum, sich bewusst zu machen, dass finanzielle Teilhabe mehr ist als nur Mitbestimmung. Sie ist Teil des Selbstverständnisses. Wer nie gefragt wird, kann auch keine Antworten geben. Wer nie eingebunden wird, hat keinen Zugang. Und wer sich nie mit Geld beschäftigt hat, dem bleibt im Ernstfall nur die Hoffnung, dass alles gut geht.

Ein Notfallordner allein reicht da nicht. Was hilft, ist ein Prozess. Regelmäßige Vermögensübersichten, eine transparente Liquiditätsplanung, Gespräche über Einnahmen, Ausgaben, Risiken und Ziele. Und zwar nicht nur im Falle einer Scheidung oder eines Todes – sondern mitten im Leben. Idealerweise dort, wo das Vermögen ohnehin gemanagt wird: im Family Office. Genau da setzen wir an. Denn unsere Arbeit besteht nicht nur in der Verwaltung von Zahlenkolonnen, sondern im Schaffen von Klarheit. Von Verständnis. Und, ganz wesentlich: von Beteiligung.

In sogenannten Family-Governance-Ausschüssen sitzen heute längst nicht mehr nur Patriarchen. Immer mehr Frauen nehmen ihren Platz ein – nicht als Gäste, sondern als gleichberechtigte Akteurinnen. Sie stellen Fragen, hinterfragen Strukturen, und interessieren sich dafür, warum das Immobilienportfolio so aussieht, wie es aussieht. Warum die Beteiligung an jenem Unternehmen noch sinnvoll ist. Oder ob es nicht an der Zeit wäre, mal etwas zu verändern. Und plötzlich zeigt sich: Dieses „Ich weiß ja gar nichts“ war nie Ausdruck von Desinteresse. Sondern schlicht ein Mangel an Gelegenheit.

Der Wandel ist da – leise, aber spürbar. Und oft beginnt er mit einem Gespräch. Nicht zwischen Berater und Mandant, sondern zwischen Ehepartnern. Manchmal ist es der Mann, der seine Frau bittet, sich mehr einzubringen. Manchmal ist es die Frau, die sagt: „Ich will es jetzt wissen.“ Beides sind gute Nachrichten. Denn sie zeigen, dass das Thema nicht länger unter den Tisch fällt. Sondern auf den Tisch kommt – wo es hingehört.

Am Ende dieses Gesprächs steht oft keine perfekte Lösung, sondern ein erster Schritt. Ein gemeinsamer Termin, ein Blick auf die Übersicht, vielleicht ein Aha-Moment. Und mit jedem weiteren Schritt wächst das Vertrauen. In das Gegenüber – und in sich selbst. Man muss nicht alles wissen. Aber man sollte wissen, wo man steht.

Und manchmal reicht ein kleiner Satz, um etwas Großes ins Rollen zu bringen.

„Ich weiß ja gar nichts“ – kann der Anfang von allem sein. Wenn man bereit ist, zuzuhören. Und zu handeln.

Financial Poetry

„Ich weiß ja gar nichts“, sagt sie leis’,
nach dreißig Ehejahren Fleiß.
Der Mann verwaltete das Geld,
sie hielt derweil die halbe Welt.

Was einst als Arbeitsteilung galt,
wird heut zum blinden Finanzspalt.
Die Zahlen blieben stets im Tresor,
doch Fragen drängen jetzt hervor.

Ein Kontoauszug wirkt wie Magie,
wenn man ihn sieht – doch nie verzieh.
Ein Notfallordner ist zu klein,
für’s Wissen muss man öfter rein.

Das Family Office öffnet Türen,
wo beide lernen, zu regieren.
Denn Gleichgewicht im Wissensspiel
ist keine Kür – es ist ein Ziel.

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