Nießbrauch als steuerlicher Joker

Man kann nicht den Kuchen gleichzeitig behalten und essen, sagt man. Doch im Steuerrecht gibt es einen Trick, der dieser Weisheit ein Schnippchen schlägt. Nießbrauch heißt das Zauberwort – ein Konzept, das zwar antiquiert klingt, vermögenden Familien aber unerwartete Möglichkeiten eröffnet. Es erlaubt, Vermögen schon zu Lebzeiten zu übertragen, ohne auf die Früchte verzichten zu müssen. Mit einem Augenzwinkern ließe sich sagen:

Hier wird verschenkt, ohne wirklich etwas herzugeben.

Nießbrauch - Optimierung der Schenkungssteuer

Nießbrauch

steuerlicher Joker

Schauen wir zu Sandra. Sie sitzt mit ihrer Enkelin Sophia auf der Veranda ihres Hauses. Der Apfelkuchen duftet – Idylle pur. Doch hinter Sandras Lächeln arbeitet es: Ihr Haus soll eines Tages an Sophia gehen. Aber bitte so, dass der Fiskus sich kein allzu großes Stück vom Kuchen nimmt. Und bis dahin will Sandra in ihrer Küche das Sagen behalten – oder zumindest weiter die Miete kassieren.

Sophia – jung, pragmatisch und erstaunlich gut informiert – hat da einen Einfall. Warum warten, bis Oma eines Tages das Zeitliche segnet und dann die Erbschaftsteuer droht? „Oma, wir könnten das Haus doch jetzt schon auf mich überschreiben“, sagt sie beim zweiten Stück Apfelkuchen. Sandra runzelt die Stirn: „Jetzt schon verschenken? Dann gehört’s ja nicht mehr mir!“ Sophia grinst: „Doch, irgendwie schon. Du behältst einfach den Nießbrauch.“

„Du behältst einfach den Nießbrauch.“

Hinter Sophias Vorschlag steckt ein bewährtes Prinzip. Beim Vorbehaltsnießbrauch überschreibt Sandra ihr Haus jetzt schon auf Sophia. Sophia wird als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen, allerdings mit dem Zusatz, dass Sandra lebenslang alle Nutzungen behält. Praktisch heißt das: Sandra darf weiter dort wohnen, den Garten bestellen, und wenn vermietet ist, die Miete einstreichen. Sophia hat zwar schon den Eigentumstitel in Händen, kann aber ohne Oma wenig ausrichten. Verkaufen? Nur mit dem Nießbrauch im Grundbuch – kaum ein Käufer macht das mit. Selbst einziehen? Erst wenn Oma nicht mehr mag oder kann. Kurz: Die Kontrolle bleibt bei Sandra, während Sophia schon stolz die Eigentümerurkunde einrahmen kann.

Und der Clou: Das Finanzamt spielt dieses Spielchen mit. Aus seiner Sicht hat Sophia nämlich gar nicht den vollen Wert des Hauses erhalten, sondern ein „Haus mit Oma drin“. Klingt makaber, ist aber wörtlich gemeint: Weil Sandra sich den Nießbrauch vorbehält, wird der Immobilienwert für die Schenkungsteuer reduziert. Dieser Abzug bemisst sich nach Sandras statistischer Lebenserwartung und dem Jahresertrag – etwas Mathematik mit Sterbetafeln und Zinssatz. Heraus kommt, dass am Ende womöglich nur ein Bruchteil des Hauswerts als zu versteuernde Bereicherung übrig bleibt.

Und dieser Rest passt oft bequem in die Freibeträge, die der Gesetzgeber für solche familiären Gaben vorsieht. In vielen Fällen fällt durch diesen Kniff also kaum oder gar keine Schenkungsteuer an. Der Fiskus bekommt nur ein paar Krümel, während Familie Sandra praktisch den ganzen Kuchen behält.

Natürlich hat dieser „steuerliche Joker“ auch Nebenwirkungen, über die Familie Sandra bewusst hinwegsehen muss. Denn wer die Früchte behält, zahlt auch die Steuern darauf. Die Mieteinnahmen landen weiterhin bei Sandra – und damit auch in ihrer Einkommensteuererklärung. Hätte Sophia das Haus ohne Nießbrauch übernommen, könnte sie die Mieten womöglich zu ihrem niedrigeren Steuersatz versteuern – etwa als Studentin ohne eigenes Einkommen. Doch meist überwiegt die Ersparnis bei der Schenkungsteuer den Nachteil, dass Oma Sandra die paar Mieteinnahmen noch versteuern muss. Zumal sie dafür ja auch im Gegenzug weiter die Vorteile genießt – und die Gewissheit, wirtschaftlich abgesichert zu sein.

Doch kein Joker ohne Spielregeln: Einmal verschenkt, ist (ohne spezielle Klauseln) verschenkt. Sandra kann das Haus nicht ohne Weiteres zurückholen, sollte Sophia später andere Pläne haben oder das Verhältnis kippen. Dieses Modell erfordert also Vertrauen in die Familie – was bei Sandra und Sophia gegeben ist.

Das Finanzamt korrigiert im Nachhinein nichts am Steuervorteil.

Ob Sandra früher geht oder uralt wird – der Steuerdeal steht. Stirbt sie früh, erbt Sophia ein nahezu steuerfreies Haus (niemand plant so etwas, aber möglich ist es). Lebt Sandra sehr lange, bleibt Sophias Eigentum eben länger mit dem liebgewonnenen „Inventar“ Oma belastet, doch das Haus gehört ihr ja sicher. Das Finanzamt korrigiert im Nachhinein nichts am Steuervorteil.

Eines sollte Sandra indes bleiben lassen: vorzeitig auf ihren Nießbrauch zu verzichten. Würde sie Sophia noch zu Lebzeiten auch die Nutzung überlassen (aus Großzügigkeit oder weil sie ins Pflegeheim zieht und das Haus leersteht), wertet das Finanzamt dies als erneute Schenkung. Die zuvor gesparte Steuer käme – zumindest teilweise – doch noch zur Rechnung. Also besser den Joker nur einmal ausspielen und dann halten.

Am Ende zeigt sich: Ein trockenes Rechtskonstrukt wie der Nießbrauch macht in der Praxis ein kleines Familienmärchen wahr. Vermögen wandert in jüngere Hände, während die ältere Generation abgesichert bleibt – finanziell klug und familiär fair. Die Praxis zeigt: Hier gehen Weitsicht und Wärme Hand in Hand. Wenn Sandra und Sophia am Küchentisch kichern, weil sie dem Finanzamt elegant ein Schnippchen geschlagen haben, dann sticht dieser Joker. Und vielleicht denkt der eine oder andere Leser daran, diesen Trumpf im eigenen Familienkreis auszuspielen – man kann durchaus schenken, ohne auf Einkünfte zu verzichten. Man muss nur wissen, wie.

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